Erfahrungen in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz und Alzheimer: Tanzende Melodie

(Name der Bewohnerin wurde geändert)

 

Elsa Schön ist in der Demenz schon sehr weit fortgeschritten. Sie wirkt meist sehr angespannt und in der Körperhaltung sehr verkrampft. Sie sitzt im Rollstuhl und kann nur noch über Laute auf sich aufmerksam machen. Das Lautieren ist an vielen Tagen so stark, dass sich andere Bewohner davon gestört fühlen und dieses auch genervt kund tun. Frau Schön wird dann manchmal in ihr Zimmer gebracht, um auch für sie eine reizarme und entspannende Atmosphäre zu schaffen.

Wenn ich mich zu Frau Schön setze, klingen in mir Sätze an, wie: Hör mir zu! Ich brauche jemanden, der mit mir spricht! – Ich wollte mit ihr sprechen und war neugierig auf das, was sie mir vielleicht erzählen wird.

Und so ging ich an einem schönen Sommertag mit Frau Schön in den Garten und ich suchte uns ein angenehmes Plätzchen aus, wo wir ungestört waren.

Ich hielt und streichelte ihre Hand und lauschte ihren Tönen. Uns wehte ein leichter Wind durch das Gesicht und hier und da hörte ich einen Vogel zwitschern und das Rascheln der Blätter in den Bäumen.

Ich ließ sie tönen und streichelte dabei fortwährend ihre Hand und suchte den Augenkontakt. Ich hörte ihr zu! Nach einiger Zeit hörte ich eine Melodie in ihren Tönen und ich fing an diese Melodie zu summen. Frau Schön wirkte zu Beginn sehr irritiert. Sie warf mir skeptische Blicke zu, dann schaute sie wieder weg und lautierte stärker. Ich summte leiser! Dann blickte sie mich suchend und mit dem Wort: „JAJAJAJAAAA!“ an und ich summte wieder lauter. Bis sie nach einer Weile für einen Moment nichts mehr sagte und meiner Melodie zuhörte. Sie schloss ihre Augen und lauschte meiner Melodie. Nach einer Weile sah sie mich an und stimmte mit ein. Wir summten zusammen diese-unsere Melodie. Mal war sie leiser und mal ich – mal gab sie die Schnelligkeit vor und mal ich – mal gab sie den Ton an und mal ich …

Ich erlebte unsere Begegnung wie einen Tanz mit unseren Tönen.

Die hohe Körperspannung von Frau Schön ließ nach und sie streichelte und drückte nun auch meine Hand während wir immer weiter summten.

Ich kann heute nicht mehr genau sagen wie lange wir diese „Tanzende Melodie“ zusammen tönten – was ich aber noch genau erinnere ist, dass mich diese Begegnung sehr tief berührt hat und manchmal noch heute in mir weiter summt.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.