Der Demenz vorbeugen? (Teil 2)

Im Spiegel erschien in Heft Nummer 18/16 am 30. April ein Heft mit der Titelgeschichte: „Warum Frauen länger leben. Warum Männer länger leben können“. Darin wurden Untersuchungsergebnisse vorgestellt, die sich damit beschäftigt hatten, warum es in bestimmten Bergdörfern Sardiniens Menschen gibt, Männer wie Frauen, die eine deutlich längere Lebenserwartung haben als der Durchschnitt der dortigen Bevölkerung. In zahlreichen Dörfern leben mehrere Hundertjährige. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass sich diese Menschen gesund ernährten, mit selbst gemachtem Ziegenkäse, Sauerteig, Brot und viel Gemüse. Es gab keine Rentenphase, sondern sie arbeiteten solange sie konnten. Jeder der Hochbetagten bewegte sich mehr als zehn Kilometer am Tag. Es gab keine Altenheime, sondern die Menschen lebten in den Dörfern. All das sind Faktoren, die anscheinend ein längeres und gesundes Leben begünstigen: Bewegung, gute soziale Kontakte, gesunde Ernährung, Aufgaben und sinnvolle Tätigkeiten.

Was hat dies mit Demenz zu tun? Die Erhebungen in Sardinien ergaben, dass nur jeder zehnte der hochbetagten Menschen in diesen Gegenden an Demenz litt, während der Prozentsatz in der Durchschnittsbevölkerung um ein Vielfaches höher liegt (in Deutschland bei den Menschen über 90 Jahre bei über 40%.))

Nun wird man nicht sagen können: „Bewegen Sie sich jeden Tag zehn Kilometer, essen Sie Ziegenkäse, dann vermeiden Sie Demenz!“ Doch eine Antwort erscheint mir schlüssig: Leben Sie so gut und so gesund wie möglich. Alles deutet darauf hin, dass Sie dadurch länger leben und dass die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, geringer wird. Auch wenn Sie die Demenzerkrankung nicht konkret beeinflussen können, so gilt doch – und das ist meine grundlegende Überzeugung – dass es zu jedem Zeitpunkt wichtig ist, so gut und lebensfroh zu leben, wie es immer möglich ist.

Warum soll man erst bei der beginnenden Demenz anfangen, sich damit auseinanderzusetzen, was ein gutes Leben ist und wie man leben möchte?! Warum nicht vorher?! Warum muss ein Mensch erst krank werden, um sich zu fragen, welchen Sinn er seinem Leben geben möchte, oder sich damit auseinanderzusetzen, was ungelebt ist und danach drängt, gelebt zu werden. Vielleicht ist es sinnvoll, die Frage nach der Demenzvorbeugung zur Seite zu stellen und sich statt dessen zu fragen, wie ein gutes und gelingendes Leben aussehen kann. Diese Frage ist es wert, beantwortet zu werden, nicht mit allgemein gültigen Rezepten, sondern mit dem, was für jeden einzelnen Menschen angemessen ist.

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About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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