Empfehlungen nach der Demenzdiagnose

This entry is part 2 of 2 in the series Auswirkungen der Demenzdiagnose auf Familien

Empfehlungen nach der Demenzdiagnose:

Rufen Sie nach einer Demenzdiagnose eine Familienkonferenz ein. Ein Treffen mit so vielen Familienmitgliedern wie möglich. Reden Sie über alles, was ist und was ansteht, auch über Gefühle. Die Frage: „Wie geht es dir damit?“, sollten von allen beantwortet werden.

In den meisten Familien ist eine Person die Haupt-Pflegende. Es sollte darüber gesprochen werden, wie und durch wen diese Person regelmäßig entlastet werden kann. Durch ein anderes Familienmitglied oder durch externe Hilfen.

Vereinbaren Sie, dass Sie eine solche Familienkonferenz regelmäßig wiederholen. Und wer das organisiert.

Einige Empfehlungen für alle Familien, in denen eine Person unter einer chronischen Erkrankung leidet:

Was können Familien tun? Weiter lesen

Freude – der Moment des Lächelns

Die Freude alter Menschen wird oft überschattet von anderen Gefühlen, vor allem der Trauer, Einsamkeit und Hilflosigkeit. Die Freude von Mitarbeiter*innen der Altenhilfe wird ebenfalls manchmal überlagert von Stress und Überlastung. Um so wichtiger ist es, Gelegenheiten der Freude zu schaffen und zuzulassen.

Damit Menschen in der Altenhilfe sich freuen können, bedarf es keiner großen Feste und Feiern. Nichts gegen Karneval und Weihnachtsfeiern – Freude entsteht auch im Kleinen: bei einem guten Essen, durch eine freundliche Geste oder ein Lächeln, ein geliebtes Musikstück. Freude braucht Momente und Begegnungen.

Und Freude lebt im Moment. Menschen können sich über etwas freuen, das sie erlebt haben, und in Vorfreude auf etwas Kommendes schwelgen. Doch gerade bei älteren Menschen ist der Blick in die jüngere Vergangenheit und in die nahe Zukunft getrübt, insbesondere bei Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Deshalb zählt vor allem der Moment. Das Lächeln im Hier und Jetzt zählt und lässt Freude entstehen.

„Nach Hause“

Wenn alte Menschen, insbesondere demenziell erkrankte Menschen, in einer stationären Einrichtung, in der Tagespflege oder anderen für sie fremden Konstellationen unruhig werden und immer wieder betonen und rufen, „nach Hause“ zu wollen, dann ist es falsch, ihnen zu erklären, sie seien in einer Einrichtung, die gut für sie sei usw. In dem Bemühen, „nach Hause zu gehen“, steckt ein Gefühl. Diesem Gefühl mit rationalen Argumenten und Hinweisen zu begegnen, verstärkt die Unruhe noch mehr und bewirkt oft das Gegenteil des Beabsichtigten.

Welches Gefühl steckt hinter dieser Unruhe, nach Hause zu wollen? Die Sehnsucht nach Vertrautem, nach Geborgenheit. Das Zuhause ist der vertraute Ort, an dem man sich wohlfühlt, den man kennt, der selbstverständlich ist und in dem es eine Atmosphäre der Geborgenheit gibt. Wenn Menschen unruhig immer wieder nach Hause wollen, fehlt ihnen Geborgenheit. Es ist sinnvoll und not-wendig, um ihre Not zu wenden, sie in ihrem Bemühen nach Geborgenheit zu unterstützen. Vielleicht kann man sie fragen (wenn dies noch möglich ist, sonst Angehörige), was denn ihr Zuhause ist, was sie daran mögen, was ihr Lieblingsort ist, wie ihre Küche aussieht, auf welchem Sessel sie sitzen, welche Gegenstände sie mögen, welches Essen sie gekocht haben, welche Musik sie hören usw. Oft ergeben sich daraus Anhaltspunkte, was in der konkreten Situation an Geborgenheit fehlt und was vielleicht unterstützt werden kann. Es kann eine bestimmte Musik der Geborgenheit geschaffen werden. Es können Gegenstände aus der früheren Wohnung mit in die Einrichtung genommen werden, ein Stuhl, eine Kuckucksuhr, ein Kerzenständer oder anderes.

Möglicherweise gibt es auch andere Zugänge, um das Gefühl der Geborgenheit der entborgenen Personen zu unterstützen: Geborgenheit besteht aus Schutz, Wärme und Vertrautheit. Eine Pflegekraft oder ein*e Betreuer*in kann der beunruhigten Person Schutz anbieten, kann ihre Hand halten und mit ihr ein wenig auf und ab gehen, damit sie sich nicht allein fühlt. Man kann versuchen, Orte der Wärme zu suchen, eine Kerze anzünden, eine wärmende Decke anbieten oder einen Platz am Ofen oder an der Heizung aufsuchen. Wichtig ist darauf zu achten, welche Orte und welche Personen der beunruhigten Person vertraut sind, wo sie sich sicher fühlt und was sie kennt, nicht nur vom Verstand her, sondern von ihrem ganzen Erleben. Diese Orte und Personen ersetzen vielleicht nicht das Grundgefühl der Geborgenheit, das mit dem „Zuhause“ verbunden ist. Sie können aber wenigstens einen Hauch oder einen Teil dieser Geborgenheit schaffen.

In jedem Fall ist es sinnvoll, sich darum zu bemühen, der Spur der Geborgenheit nachzugehen. Die konkreten Schritte und Elemente, die sich auf diesem Weg ergeben, sind bei jeder Person verschieden. Manchmal gelingt dies nicht. Doch der Versuch lohnt sich immer.

Die leidige Frage mit dem „Sie“ und dem „Du“

In den meisten Einrichtungen der Altenhilfe und der ambulanten Versorgung gilt die Regel, die zu pflegenden Menschen mit dem Nachnamen anzusprechen. Das ist gut so. Das ist Ausdruck des Respekts vor ihnen. Doch das darf nicht zur Ideologie, zu einem unabdingbaren Muss werden, denn es gibt Ausnahmen. Eine alte Frau zum Beispiel ist dement und wird geistig und emotional zu einer Dreijährigen. Sie such nach ihrer Mutti. Würde die Betreuungskraft sie mit ihrem Nachnamen ansprechen, verstünde sie nichts. In ihrem eigenen Erleben ist sie drei Jahre alt. Da ist es sinnvoll und sogar notwendig, die Dame mit ihrem Vornamen anzusprechen, um sie zu erreichen und dann zu begleiten. Alles andere würde auf Unverständnis stoßen und störrischen Widerstand hervorrufen.

Dann gibt es Menschen, die in einem beruflichen und privaten Milieu aufgewachsen sind, in dem man sich duzt. Dem bin ich oft im Ruhrgebiet begegnet bei Arbeitern und Arbeiterinnen, Handwerker*innen und anderen. Sie duzen andere selbst, sie kennen es nicht anders. Manche von ihnen sind froh darüber, dass sie mit Sie angesprochen werden, doch vielen ist dies fremd und sie duzen zurück, wenn man sie siezt, oder reagieren irritiert. Demenzielle Erkrankungen sind schon sehr verunsichernd. Wenn dann noch Irritationen im Umgang miteinander dazukommen, kann dies die Verunsicherung verstärken. Hier ist es oft sinnvoll, „Richard“ statt „Herr Schneider“ zu sagen. Manchmal kann man die Menschen auch siezen und gleichzeitig mit dem Vornamen ansprechen.

Es gilt bei der Ansprache, die Orientierung an dem höflichen Sie beizubehalten UND es ist gleichzeitig notwendig, flexibel zu sein und nicht in ideologischen Normen zu erstarren.

Damit die Liebe bleibt

Ein Ehepaar hatte große Angst, weil die Ehefrau die Diagnose Alzheimer-Demenz bekommen hatte. Ich frage sie, wovor sie denn konkret Angst hätten. Denn es hilft immer, die Angst möglichst zu konkretisieren, um sich mit ihr auseinandersetzen zu können. Nach einigem Hin und Her stellte sich heraus, dass beide vor allem Angst hatten, dass die Frau ihren geliebten Partner nicht mehr erkenne und damit die, wie sie sagte, „Liebe ihres Lebens“. Und der Partner fürchtete sich davor, dass seine Frau ihn irgendwann nicht mehr erkennen könne und er ihr fremd würde.

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„Dürfen“ Angehörige wütend sein?

This entry is part 8 of 8 in the series Angehörigenarbeit

 

 

Frau M. hat die Küche geputzt. Sie lässt ihren demenzkranken Mann einen Moment allein, weil sie Kartoffeln aus dem Keller holt. Bei ihrer Rückkehr stellt sie fest, dass dieser in die Küche uriniert hat. Er hat wieder einmal das Badezimmer nicht gefunden. Frau M. ist sauer und schimpft vor sich hin: „Muss das denn sein?!“ Einen Moment überlegt sie, ob ihr Mann das extra gemacht hat, um sie zu ärgern. Doch dann denkt sie, dass es Ausdruck seiner Erkrankung ist. Sie nimmt sich zurück, um nicht mit ihm zu schimpfen, aber trotzdem bleibt etwas von der Wut und dem Ärger. Sie denkt: Er ist doch krank, da darf ich doch nicht wütend sein.

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Überforderung

Angehörige, die demenziell erkrankte Menschen pflegen und begleiten, sind sehr oft überfordert. Zumindest kommen sie an die Grenzen zur Überforderung und überschreiten sie häufig. Es ist dies ein schleichender Prozess. Am Anfang gelingt die Pflege oft, dann wird sie schwieriger und irgendwann wird es zu viel. Aber die Liebe und die Kraft, die Versprechen, die man gegeben hat, führen häufig dazu, dass diese Grenzen nicht ernst genommen werden.

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„Ich habe meine Mutter verraten“

This entry is part 7 of 8 in the series Angehörigenarbeit

 

 

 

In einem Beratungsgespräch beginnt eine Frau bitterlich zu weinen. Sie sagt: „Meine Mutter ist dement und ich habe ihr versprochen, dass sie immer bei mir bleiben kann. Ich habe sie jetzt acht Jahre gepflegt, aber irgendwie geht es jetzt nicht mehr. Sie musste ins Heim. Ich habe mein Versprechen gebrochen. Jetzt schaut sie mich immer, wenn ich sie besuche, sehr vorwurfsvoll an. Sie spricht kaum noch mit mir …“

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G20: Macht die Fernseher aus!

Ich schreibe dies am Vormittag des 8.7. angesichts der Gewaltbilder aus Hamburg. Dass es viel zu protestieren gibt, teile ich. Dass die Gewalt gegen die Polizei, gegen die Autos und Fahrräder der Anwohner, gegen die Drogerien und Supermärkte, die geplündert wurden, menschenverachtend ist, damit werde ich mich mit fast allen, die dies lesen, einig sein.

Mich treibt um, dass auf den meisten Gewaltbildern, die im Internet zu sehen sind, im Hintergrund und an den Seiten Reporter und Fotografen zu sehen sind. Die Gwalttäter schimpfen auf die Medien und gleichzeitig wollen sie in die Medien und die friedlichen Proteste überdecken. Und die Medien bieten ihnen die Bühne dafür. Das ist ärgerlich. Das ist widerlich. Das möchte ich nicht sehen, weder im Fernsehen noch im Internet.

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Was mache ich, wenn … ein alter Mensch sehr erregt ist?

Zunächst einmal ist es notwendig, an die Erregung „anzudocken“ und nicht sofort beruhigen zu wollen. Wenn ein alter Mensch sehr unruhig hin- und herläuft, dann gehen Sie mit. Wenn er vor sich hinredet, reden Sie mit ihm. Versuchen Sie, ihn in seiner Erregung zu erreichen. Das verstehen wir unter Andocken. Wenn sie den Kontakt hergestellt haben, wird sich etwas verändern, zumindest können Sie dann den alten Mann oder die alte Frau in ein Gespräch verwickeln und darüber beruhigen. Weiter lesen