Macht und Ohnmacht in der Altenpflege, Teil 2: Konstruktive und destruktive Machtausübung

 

 

Destruktive Machtausübung ist erniedrigend und entwürdigend. Wer jemanden „fertigmacht“, wer jemanden gegen seinen Willen zu etwas zwingt, wer mit Worten oder Taten jemanden verächtlich macht, übt destruktive Macht aus. Worte können unpassend sein oder sogar rassistisch, ebenso Blicke und Handlungen. Macht ist nicht nur offene Gewalt, sondern Macht umfasst alles, was andere Menschen beeinflusst, gegen ihren Willen etwas zu tun oder zu unterlassen.

Wenn Menschen destruktiven Machterfahrungen ausgesetzt sind, werden alle früheren Erfahrungen mit Macht wieder lebendig. Wer Zeuge ist, wie ein alter Mensch einen anderen schlägt, erinnert sich, ob er will oder nicht, an die eigenen Schläge, die er als Kind erfahren hat. Wer beschämt oder entwürdigt wurde, wird dies, wenn er solchen Erfahrungen wiederholt begegnet, wieder neu erleben. Insbesondre destruktive Machterfahrungen, die Leid hervorrufen, neigen dazu, aus den Tiefen des Unterbewussten, des Verdrängten und Vergessenen wieder aufzutauchen, und die Mitarbeiter/innen und alle anderen Beteiligten in der Altenhilfe zu belasten.

Konstruktive Machtausübung kann auch Zwang beinhalten. Doch dieser Zwang hat eine andere Absicht. Wer dringend eine Spritze bekommen muss, die lebensrettend ist, muss dies oft erdulden, auch wenn er selbst nicht damit einverstanden ist und vor einer Spritze Angst hat. Doch diese Machtausübung ist beschützend. Sie setzt auch Grenzen gegen Selbstverletzung oder die Verletzungen anderer. Der Unterschied zwischen konstruktiver und destruktiver Machtausübung besteht in der Absicht, aber nicht nur darin. Die Unterschiede zeigen sich auch in der Art und Weise, wie Macht ausgeübt wird. Ob sie erklärt wird. Ob sie transparent ist. Ob sie von wohlwollenden Blicken begleitet wird. Oder ob sie technokratisch einfach umgesetzt wird, egal, was die Beteiligten dabei fühlen.

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About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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