- Angehörigenarbeit Teil 1: Das Problem
- Angehörigenarbeit Teil 2: Schuld, Liebe, Hass….-erkennen
- Angehörigenarbeit Teil 3: Schuld, Liebe , Hass…..was tun?
- Angehörigenarbeit Teil 4: Der Anfang
- Angehörigenarbeit Teil 5: Die Triangel
- Angehörigenarbeit Teil 6: Grenzen setzen gegen Entwürdigung
- „Ich habe meine Mutter verraten“
- „Dürfen“ Angehörige wütend sein?
Angehörigenarbeit ist ein notwendiger integraler Bestandteil der Altenhilfe. Offene Altenarbeit erfolgt fast nur, indem Angehörige ihre Eltern oder Partner/innen zu Aktivitäten der offenen Altenarbeit begleiten. In der Tagespflege und in stationären Einrichtungen werden Pflegende täglich mit Angehörigen konfrontiert. Die Angehörigenarbeit ist in den meisten Einrichtungen Aufgabe der sozialen Dienste. Angehörigenarbeit ist notwendig. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der erste Grund besteht darin, dass Angehörige Kunden sind und die Beiträge für die Pflege und Unterbringung ganz oder teilweise aufwenden. Der zweite Grund besteht darin, dass die zu pflegenden Menschen auch oft die Nähe und Begleitung Angehöriger angewiesen sind. Die Angehörigen mit einzubeziehen und sich um sie zu kümmern, ist daher ein soziales und ethisches Anliegen. Der dritte Grund besteht darin, dass der Kontakt mit Angehörigen für Mitarbeiter/innen der Altenhilfe oft sehr große Probleme aufwirft. Diese gilt es genauer zu betrachten.
Ein Beispiel:
Frau L. erhält Besuch von ihrer Tochter. Die Tochter ist sehr „geladen“. Sie schimpft mit ihrer Mutter, dass sie nicht schnell genug aufsteht, dass sie sich nicht begeistert genug ist über den Besuch der Tochter zeigt. Sie wirft ihr vor, dass sie vergessen hat, was die Tochter ihr letztes Mal erzählt hat und dass sie beim Spaziergang im Garten des Hauses nicht mehr die Namen der Menschen kennt, denen sie begegnet. Nach dem Besuch ist Frau L. sehr aufgelöst und weint.
Zwei weiteres Beispiele:
Herr N. besucht jeden Tag seine Frau. Sie erkennt ihn anfangs nicht mehr. Nach etwa einer halben Stunde taucht ihre Erinnerung aus dem Dunkel auf. Auch wenn sie oft den Namen ihres Mannes nicht mehr weiß, weiß sie doch, dass er für ein „Zuhause“ steht. Bei jedem Besuch bittet sie ihn, sie mit nach Hause zu nehmen. Ihr Mann hatte sie lange Zuhause gepflegt, bis es nicht mehr ging, bis er selbst am Ende seiner Kräfte war und sie sich wiederholt selbst gefährdete. Bei jedem Abschied schluchzt die Frau und fordert ihren Mann auf, sie mitzunehmen: „Nach Hause, nach Hause, nach Hause.“ Wenn er sagt, er kann das nicht, dann wirft sie ihm vor, dass er sie nicht liebt und er sie hier verrotten und verkommen lässt. Es zerreißt ihm das Herz.
Frau Sch. besucht ihre Mutter. Sie klingelt nach der Pflegerin und wirft ihr barsch vor, das Wasser in der Blumenvase sei nicht nachgefüllt worden, der Schrank sei nicht aufgeräumt und die Fingernägel ihrer Mutter seien nicht korrekt gepflegt worden. Eine halbe Stunde später klingelt sie wieder, sitzt dort mit dem Blick auf die Uhr. Als die Pflegekraft kommt, sagt die Tochter: „Ich möchte nur messen, wie langsam Sie sind, bis Sie endlich hier sind!“
Diese Beispiele zeigen, wie stark Beziehungsmuster und Beziehungsgefühle in die Altenhilfe hineinspielen. Alle Beziehungsqualitäten und Beziehungsgefühle zwischen zu pflegenden Menschen und Angehörigen werden in der Altenhilfe ausgelebt und sichtbar. Sie beeinflussen die Atmosphäre, sie beeinflussen die Pflegenden, sie sind oft kein Nebengeräusch, sondern stehen oft im Vordergrund. Viele Pflegekräfte sagen, dass sie mit den alten Menschen gut zurechtkommen, aber dass manche Angehörige ihnen das Leben zur Hölle machen und dass darin die Hauptbelastung ihrer Arbeitstätigkeit liegt. Dies soll ein Anlass sein, diese Beziehungsqualitäten genauer zu betrachten.
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