Angehörigenarbeit ist ein notwendiger integraler Bestandteil der Altenhilfe. Offene Altenarbeit erfolgt fast nur, indem Angehörige ihre Eltern oder Partner/innen zu Aktivitäten der offenen Altenarbeit begleiten. In der Tagespflege und in stationären Einrichtungen werden Pflegende täglich mit Angehörigen konfrontiert. Die Angehörigenarbeit ist in den meisten Einrichtungen Aufgabe der sozialen Dienste. Angehörigenarbeit ist notwendig. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der erste Grund besteht darin, dass Angehörige Kunden sind und die Beiträge für die Pflege und Unterbringung ganz oder teilweise aufwenden. Der zweite Grund besteht darin, dass die zu pflegenden Menschen auch oft die Nähe und Begleitung Angehöriger angewiesen sind. Die Angehörigen mit einzubeziehen und sich um sie zu kümmern, ist daher ein soziales und ethisches Anliegen. Der dritte Grund besteht darin, dass der Kontakt mit Angehörigen für Mitarbeiter/innen der Altenhilfe oft sehr große Probleme aufwirft. Diese gilt es genauer zu betrachten.
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Angehörigenarbeit Teil 2: Schuld, Liebe, Hass….-erkennen
Beginnen wir mit dem ersten Beispiel. In vielen Eltern-Kind- und manchmal auch Partnerschaftsbeziehungen existieren ungelöste, unausgesprochene und unbewältigte Konflikte. Wenn eine Tochter sexuelle Gewalt erfahren hat und der Vater nun im Altenheim ist, sind keine innigen Beziehungen zu erwarten. Wenn jemand in seiner Kindheit oft geschlagen wurde oder auch später missachtet oder verachtet wurde, wie soll da Würdigung und Liebe im Alter entstehen?
Angehörigenarbeit Teil 3: Schuld, Liebe , Hass…..was tun?
Wie ist damit umzugehen? SMEI verfolgt den Ansatz, zu würdigen, was ist. Alles ist zu würdigen – auch die Gefühle, auch die Gefühle im Subtext, die verborgen und unausgesprochen bleiben. Deswegen ist zunächst einmal wichtig zu verstehen, dass es hier um emotionale Beziehungsqualitäten geht, um Gefühle, die sich in diesen Beziehungen „austoben“. Und auf Gefühle muss emotional reagiert werden. Gefühle brauchen andere Gefühle, zumindest auch.
Angehörigenarbeit Teil 4: Der Anfang
In vielen Einrichtungen der stationären Altenhilfe sind die Angehörigen wichtig, denn sie sind Kunden und entscheiden darüber, ob alte Menschen als Gäste in ein Heim kommen. Da gibt es besondere Termine, Gespräche mit Heim- oder Pflegedienstleitung, Hausführungen und andere Bemühungen. Da fällt die Entscheidung über die Heimunterbringung, die neue Bewohnerin oder neue Bewohner erhält einen freundlichen Empfang – und dann pausiert meistens die Beschäftigung mit den Angehörigen. Sie erhalten vielleicht noch einen Fragebogen zur Biografie der Bewohnerin, des Bewohners, der die pflege erleichtern soll. Doch das ist es. Die Beziehungsqualitäten zwischen den neuen Bewohner/innen und den Partner/innen oder Kindern bleiben außen vor. Doch sie zeigen sich, sie machen sich in Störungen und Dramen bemerkbar, wie die obigen Beispiele und viele andere zeigen.
Angehörigenarbeit Teil 5: Die Triangel
Wenn zwei Menschen sich unmittelbar auseinandersetzen, kann dies zu Konflikten oder zu Stillstand führen. Wie bei vielen Konflikten zwischen Angehörigen und Pflegenden wiederholen sich Vorwürfe, wiederholen sich Verletzungen, wiederholen sich sogar ganze Sätze und Worte. Wenn beide Seiten sich aber einem Dritten zuwenden und gemeinsam etwas tun, entsteht ein Dreieck, entsteht eine Triangel und beide Seiten können durch das gemeinsame Handeln anders als zuvor miteinander kommunizieren. Dieser Ansatz kann in der Begleitung mancher Angehöriger erfolgreich eingesetzt werden.
Ein Beispiel:
In einer Einrichtung wird eine Ausstellung vorbereitet mit dem Titel „Frauen dreier Generationen“. Es werden Fotos ausgesucht, die gerahmt und gezeigt werden sollen. Angestrebt ist, jeweils ein Foto einer Bewohnerin und ein Foto von deren Tochter und, wenn möglich, ein Foto von einer Enkelin zu finden und nebeneinander zu zeigen. Die Ausstellung wird schließlich ein großer Erfolg und man sieht in der Reihe der Fotos Ähnlichkeiten, Zusammenhänge, Unterschiede. Die Ausstellung stößt auf großes Interesse – in den Medien, bei den Bewohnern und Bewohnerinnen und auch bei den Angehörigen.
Angehörigenarbeit Teil 6: Grenzen setzen gegen Entwürdigung
Wie schon beschrieben wird Angehörigen alter Menschen, die möglicherweise in eine Einrichtung einziehen, viel Aufmerksamkeit während des Entscheidungsprozesses geschenkt. Wenn die alten Menschen dann zu Bewohner/innen geworden sind, erlischt oft das Interesse aus Zeitgründen und aufgrund einer kurzsichtigen Haltung. Denn die Angehörigen sind nicht nur Kunden, die darüber entscheiden, ob ihr Vater oder ihre Partnerin in ein Heim einzieht. Sie bleiben Kunden auch während der Aufenthaltsdauer in der Einrichtung. Und was an Kosten in der Betreuung und Begleitung von Angehörigen gespart wird, muss an anderer Stelle aufgewendet werden.
„Ich habe meine Mutter verraten“
In einem Beratungsgespräch beginnt eine Frau bitterlich zu weinen. Sie sagt: „Meine Mutter ist dement und ich habe ihr versprochen, dass sie immer bei mir bleiben kann. Ich habe sie jetzt acht Jahre gepflegt, aber irgendwie geht es jetzt nicht mehr. Sie musste ins Heim. Ich habe mein Versprechen gebrochen. Jetzt schaut sie mich immer, wenn ich sie besuche, sehr vorwurfsvoll an. Sie spricht kaum noch mit mir …“
„Dürfen“ Angehörige wütend sein?
Frau M. hat die Küche geputzt. Sie lässt ihren demenzkranken Mann einen Moment allein, weil sie Kartoffeln aus dem Keller holt. Bei ihrer Rückkehr stellt sie fest, dass dieser in die Küche uriniert hat. Er hat wieder einmal das Badezimmer nicht gefunden. Frau M. ist sauer und schimpft vor sich hin: „Muss das denn sein?!“ Einen Moment überlegt sie, ob ihr Mann das extra gemacht hat, um sie zu ärgern. Doch dann denkt sie, dass es Ausdruck seiner Erkrankung ist. Sie nimmt sich zurück, um nicht mit ihm zu schimpfen, aber trotzdem bleibt etwas von der Wut und dem Ärger. Sie denkt: Er ist doch krank, da darf ich doch nicht wütend sein.