Empfehlungen nach der Demenzdiagnose

This entry is part 2 of 2 in the series Auswirkungen der Demenzdiagnose auf Familien

Empfehlungen nach der Demenzdiagnose:

Rufen Sie nach einer Demenzdiagnose eine Familienkonferenz ein. Ein Treffen mit so vielen Familienmitgliedern wie möglich. Reden Sie über alles, was ist und was ansteht, auch über Gefühle. Die Frage: „Wie geht es dir damit?“, sollten von allen beantwortet werden.

In den meisten Familien ist eine Person die Haupt-Pflegende. Es sollte darüber gesprochen werden, wie und durch wen diese Person regelmäßig entlastet werden kann. Durch ein anderes Familienmitglied oder durch externe Hilfen.

Vereinbaren Sie, dass Sie eine solche Familienkonferenz regelmäßig wiederholen. Und wer das organisiert.

Einige Empfehlungen für alle Familien, in denen eine Person unter einer chronischen Erkrankung leidet:

Was können Familien tun? Weiter lesen

Der Krieg in der Tagespflege

Ein Aufenthaltsraum. Mehrere ältere Menschen sitzen dort und schauen eine gemeinsame Lieblingssendung am Nachmittag. Die Sendung ist zu Ende. Es kommen Nachrichten. Dort wird über den Krieg in der Ukraine berichtet. Die Atmosphäre in dem Raum verändert sich schlagartig. Manche der anwesenden Gäste erstarren. Einige schauen auf den Fernseher, ohne sich zu regen. Die Kriegsbilder beeinflussen die Atmosphäre in der Tagespflege, in dem Gemeinschaftsraum.

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Stärkungsbriefe an einen dementiell erkrankten Freund: 3. „Die volle und die leere Hand“

This entry is part 3 of 4 in the series Stärkungsbriefe an Fritz

Die folgenden Briefe gehen an einen Freund, der an Demenz erkrankt ist und vor kurzem die Diagnose erhalten hat. Ich werde diese Briefe hier veröffentlichen, damit auch andere dementiell Erkrankte, die dies lesen können, die eine oder andere Anregung zur Stärkung erhalten können. Selbstverständlich ohne intime Details. Fachkräfte und Angehörige, die dementiell erkrankte Menschen begleiten, können daraus – so wünsche ich mir – einige Anregungen erhalten. Udo Baer.

Lieber Fritz,
du weißt, dass auch ich manches nicht mehr unternehmen kann, was ich gerne unternehmen würde. Das wird dir ähnlich ergehen. Manches kann ich, aber manches geht halt nicht. Das ist traurig. Ich habe gelernt, wenn ich mich vor allem mit dem beschäftige oder überwiegend darauf konzentriere, was nicht mehr geht, dann kann mich das zeitweilig innerlich auffressen. Ich habe dann keine Kraft mehr, mich dem zuzuwenden, was ich gerne mache und was mir am Herzen liegt. Wenn wir Menschen eine volle Hand haben und gleichzeitig mit dieser Hand noch nach anderem greifen, wird uns das nicht gelingen. Wir müssen die volle Hand, so gut wir es können, leeren und loslassen. Wir sollten versuchen, das, was wir dort festhalten, loszulassen, um dann mit der leeren Hand nach etwas anderem greifen zu können. Der Moment des Loslassens ist der schwierigste. Wir haben dann einen Moment lang das Gefühl, nichts in den Händen zu haben und mit leeren Händen dazustehen. Doch nach diesem Moment entsteht die Möglichkeit, nach dem zu greifen, was wir lieben, nach dem, was wir wollen und wünschen, nach dem, was uns am Herzen liegt. Die volle Hand zu leeren, ist traurig und trauern ist das Gefühl des Loslassens. Du wirst einiges loslassen müssen in den nächsten Jahren und manches vielleicht auch jetzt schon. Doch mit der leeren Hand nach Neuem zu greifen oder nach Vertrautem erneut zu greifen, ist etwas, was lebenswert und liebenswert ist und was dir möglich ist.

Beim Loslassen ist es entscheidend, dass wir damit nicht allein sind, sondern dass wir andere Menschen haben, die mit uns trauern und die uns in unserem Loslassen begleiten. Ich trauere gerne mit dir. Wir können gemeinsam von diesem und jenem loslassen, um mit leeren Händen nach dem zu greifen, was uns am wichtigsten ist.

Herzliche Grüße
Udo

Würdigen, was ist

This entry is part 1 of 1 in the series Würde und Alter

Würdigen, was ist – das ist ein guter Kompass, um alten Menschen würdigend zu begegnen. Es bedeutet, auf das zu achten, was hier und jetzt das Befinden der alten Menschen ist, und es ernst zu nehmen. Zum Beispiel:

  • Darauf zu achten, was heute an Alltagsaktivitäten nicht möglich ist und wobei jemand Hilfe braucht.
  • Ernst zu nehmen, wo jemand keine Unterstützung benötigt. Die Fähigkeiten und Kompetenzen zu würdigen.
  • Respektieren, dass es heute anders sein kann als gestern.
  • Würdigen, ob jemand gerade Nähe braucht oder Abstand.
  • Achtsam zu sein auf Kleinigkeiten, auf das kleine Lächeln, den Seufzer und das Aufblitzen der Augen und vieles andere mehr.

Würdigen, was ist – das bedeutet auch, sich selbst ernst zu nehmen. Wir sind nicht jeden Tag gleich gut drauf. Haben mal schlecht geschlafen, mal Liebeskummer oder andere Sorgen. Natürlich müssen wir in der Begleitung alter Menschen unsere Pflichten erfüllen. Doch wir sollten nicht alles, was uns bewegt, überspielen und zumindest Verständnis für uns haben, wenn unser Lächeln mal nicht so offen ist oder uns ein Seufzer überkommt.

 

Das große UND

Wenn Angehörige oder pflegende Fachkräfte Widersprüchlichkeiten begegnen und sich darum bemühen, sie zu würdigen, ist die Haltung des großen UND hilfreich. Wir Menschen sind oft gewohnt, in Entweder/oder-Kategorien zu denken und zu handeln: Entweder dies oder jenes …. Doch wenn wir würdigen wollen, was ist, und die Menschen mit demenziellen Erkrankungen zu respektierenden versuchen, dann lassen sich widersprüchliche Aspekte in den meisten Fällen mit einem großen UND verknüpfen:

  • „Ich liebe meine Mutter, pflege sie gerne, UND manchmal wird mir alles zu viel.“
  • „Meine demenziell erkrankte Partnerin kann sich manchmal nicht an meinen Namen erinnern und das ist schrecklich, UND oft lächelt sie mich an und strahlt mit ihren Augen, das ist wunderschön.“
  • „Mein Mann kann nicht mehr allein essen, UND er weiß noch, was ihm schmeckt und was nicht.“
  • „Die Oma erinnert sich an vieles nicht mehr, UND doch sie kann ihre Gefühle leben und zeigen.“

Wenn eine solche Haltung des großen UND eingenommen wird, dann wird die Kommunikation leichter für alle Beteiligten. Selbstverständlich gilt das große UND nicht für alle Aspekte des Erlebens. Wenn Menschen mit demenziellen Erkrankungen entwürdigt werden, dann gibt es kein großes UND, sondern ein STOPP. Auch wenn sie wegen Desorientierung oder aus anderen Gründen andere verletzen, ist es wichtig, dagegen einzuschreiten. Das große UND findet seine Grenzen, wo die Entwürdigung beginnt.

 

Bombennächte und Kinderlandverschickung – eingegraben in die Erinnerungen der Kinder von damals.

Donnergrollen

Frau F. lebt in einem Altenheim. Es ist Hochsommer, ein Gewitter naht, in der Ferne ertönt erstes Donnern. Frau F. schreckt auf und beginnt, so schnell sie kann, loszulaufen. Sie öffnet Türen, suchend und aufgeregt.
Auch Frau L. hört die Donnergeräusche. Sie war zuvor langsam im großen Raum umhergegangen, demenzkrank, in ihrer Welt versunken. Nun bleibt sie plötzlich stehen und verharrt wie eine Statue, unbeweglich an derselben Stelle. Als eine Altenpflegerin sie fragt: „Was ist denn los? Kann ich etwas für Sie tun?“, antwortet sie nicht, sondern schaut starr und flach atmend an der Mitarbeiterin vorbei. Als diese sie berührt, merkt sie, dass die Haut der alten Frau sehr kalt und von einem dünnen Schweißfilm bedeckt ist.

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Hart wie Kruppstahl – Angststörungen einer Männergeneration von Jugendsoldaten

Um Tod und Leben mit knapp 17

Herr M. leidet unter einer Angststörung. So lautete die Diagnose seines Leidens nach einer psychiatrischen Untersuchung. Er schreckt nachts hoch und wacht dann hoch erregt und schweißgebadet voller Angst auf. An die Träume kann er sich nicht erinnern. Im Alltag vermeidet er gefährliche Situationen, zum Beispiel das Fahren auf Autobahnen, das ihm Angst macht. In der letzten Zeit wagt er es nicht mehr mit dem Auto zu fahren, obwohl er seinen alten Volvo liebt und stolz auf ihn ist.

Herr M. war im Alter von 16,5 Jahren zum Volkssturm eingezogen worden und wurde als „Kanonenfutter“ in die Oderschlacht gegen die auf Berlin vorrückende russische Armee geschickt. Er überlebte wie durch ein Wunder den stundenlangen Artilleriebeschuss und wurde dann relativ schnell gefangen genommen. Er erinnert sich nicht, selbst geschossen zu haben. Seinen Schrecken und seine Todesangst durfte er damals nicht äußern:

„Am Anfang war das ein großes Abenteuer. Wir fühlten uns wie richtige Männer und waren stolz, dass wir gebraucht wurden. Als es dann zur Front ging, wurden alle stiller. Beim Artilleriebeschuss war ich erstarrt, ein Häufchen Elend, zusammengekauert in einem Dreckloch. Stundenlang. Ich habe keine Erinnerung mehr.“

Sein Körper und seine Seele jedoch erinnern sich an den Schrecken. Das Grauen steckt in ihm, auch wenn er an die schlimmsten Stunden keine Erinnerungen mehr hat. Die Angst bleibt. Tagsüber wartet sie meist im Hintergrund und kommt nur in potenziell gefährlichen Situationen zum Vorschein, zum Beispiel beim Autofahren. So schränkt sie seine Lebensmöglichkeiten seit vielen Jahren zunehmend ein. Und in der Nacht entfaltet sie ihre ganze Kraft: Die Panik bricht heftig hervor.

Wie Herrn M. ging es vielen Menschen, jüngeren wie älteren. Sie wurden als Soldaten in einen sinnlosen und verbrecherischen Krieg geschickt und waren Situationen ausgesetzt, in denen es um Leben und Tod ging. In solchen Momenten reagieren Körper und Seele mit einem Notfall- und Panikprogramm, das Jahrzehnte später vor allem nachts oder bei bestimmten Anlässen, die der schrecklichen Ausgangssituation ähneln, wieder in Gang tritt.

Bloß nicht einschlafen, sonst kommt der Tod

Viele alte Menschen kämpfen dagegen an, einzuschlafen. Auch für Herrn R. war das „ganz normal“: Er wollte nicht einschlafen. Es saß im Fernsehzimmer des Heimes und ihm fielen die Augen zu. Doch jedes Mal, wenn er einnickte, schreckte er hoch und riss die Augen krampfhaft auf. Eine Pflegerin des Hauses berichtete, dass er abends alles Mögliche unternahm, um den Zeitpunkt hinauszuzögern, ins Bett zu gehen: „Wie ein kleines Kind“. Doch wenn man genau hinsah, wie erschrocken sein Gesicht wirkte, wenn er gegen den Schlaf kämpfte, lag ein weniger harmloser Vergleich nahe.

„In welchem Jahr sind Sie geboren?“

„Ich bin Jahrgang 1928. Bin gerade 80 geworden. Ein guter Jahrgang, hart wie Kruppstahl!“, antwortete er stolz.

„Sie waren in der Hitlerjugend?“ (dieser Spruch war die Parole der Hitlerjugend).

„Ja“, meinte er, „und dann das volle Programm.“

Das „volle Programm“ bedeutete: Mit 16 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, Kampfeinsätze in Italien, dann zum „Endkampf“ an die Ostfront und drei Jahre russische Kriegsgefangenschaft. „Ich war noch einigermaßen kräftig und gesund, deswegen musste ich solange bleiben.“

Ob er oft Wache stehen musste?

„Oh ja. Oft,  ich war ja immer einer jüngsten. Egal, ob man müde war oder nicht – man musste die Augen aufhalten. Sonst konnte man erschossen werden; und man musste ja auch auf die Kameraden aufpassen. Das war schon hart.“

Herr R. war immer noch, 63 Jahre nach Kriegsende, darauf programmiert, die „Augen aufzuhalten“. Einschlafen war gefährlich, lebensgefährlich.

Doch nicht nur solche Situationen des Wache-Stehens im Krieg bedeuteten Kampf gegen das Einschlafen, auch viele andere Situationen für Soldaten wie für Zivilisten, für Ältere wie für Junge gab es, die es notwendig machten, gegen den Schlag zu kämpfen. Herr R. erzählt eine davon:

„Im Lager (während der Kriegsgefangenschaft) war es manchmal so kalt, dass wir nicht einschlafen durften. Wir mussten stehen und uns bewegen. Wer hinfiel und einschlief, war am nächsten Morgen tot.“

Auch für viele Flüchtlinge und Vertriebene galt, dass Einschlafen verboten war. Wer einschlief, konnte erfrieren, konnte als Kind vom Wagen fallen, konnte den Anschluss verpassen und dergleichen mehr. Für viele Kinder und Frauen kamen die Gefahren der Dunkelheit und die Angst vor Vergewaltigung hinzu. Auch das kann wach halten, manchmal ein Leben lang. Wegen des Bombenalarms schliefen viele Menschen in „Hab-Acht-Stellung“, wie in einem Buch über den Bombenkrieg eine Frau beschrieb:

„Ich schlief halb auf dem Rücken, damit das rechte Ohr vollkommen frei war. Ich habe auch im Schlaf immer ein Horchgefühl in mir gehabt.“

Hinzu kommt, dass traumatische Erfahrungen bei vielen Menschen die Grunderregung erhöhen, was ebenfalls das Schlafverhalten beeinträchtigen kann.

Geboren bis 1946/47

Eine traumatisierte Generation und ihre rätselhaften Verrücktheiten

Mittagszeit im Altenpflegeheim: Die 14 Bewohnerinnen und Bewohner der Wohngruppe in der ersten Etage haben gerade ihre Plätze eingenommen, wie jeden Tag um 12 Uhr. Doch heute ist es anders als sonst. Punkt 12 Uhr ertönt die Sirene des Probealarms. Alle Bewohnerinnen und Bewohner erstarren, nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht. Vier der alten Damen und Herren stehen auf und beginnen unruhig hin und her zu laufen. Zwei versuchen unter den Tisch zu kriechen, Frau S. beginnt lang anhaltend und laut zu schreien.

Was war geschehen? Weit zurückliegende Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg hatten die Wohngruppe in Angst und Unruhe versetzt. Fast alle Bewohnerinnen und Bewohner haben im Krieg Schlimmes erfahren, der Klang der Sirene hatte all das wieder belebt und entsprechende Reaktionen hervorgerufen. Sie erinnerten sich nicht „einfach“ an die Bombardierungen, die dem Sirenengeheul folgten – sie erlebten sie, als passierten sie jetzt.

Wie viele Menschen, die die Schrecken des Krieges und der Nachkriegszeit erlebt haben, dadurch traumatisiert wurden, ist nicht exakt zu bestimmen. Untersuchungen und Schätzungen legen nahe, dass fast ein Drittel eine traumatische Erfahrung gemacht hat, etwa ein weiteres Drittel sogar mehrere. Das gilt nicht nur für diejenigen, die damals erwachsen waren. Auch Kinder werden traumatisiert, wenn sie Zeugen von dramatischen Ereignissen sind, wenn sie Atmosphären von Angst und Schrecken mitbekommen. Betroffen sind also die Jahrgänge, die bis 1946/47 geboren wurden.

Die meisten haben ihre Schreckenserfahrungen verdrängt und beiseite geschoben. Doch im Alter gelingt dies den wenigsten. Die Schrecken drängen an die Oberfläche und beeinflussen das Erleben und Leben der alten Menschen. Für alle, die als Pflegende oder Angehörige alte Menschen begleiten und auch für die alten Menschen selbst ist es darum wichtig, diese Phänomene erkennen und deuten zu können. Denn oft werden Reaktionen auf alte kriegstraumatische Erfahrungen nicht mit den damaligen Ereignissen in Verbindung gebracht.

 

Der 2. Weltkrieg im Wohnzimmer

Wie Schrecken von Krieg und Flucht bei alten Menschen nachwirken und was man tun kann

Ein Sommergewitter: Herr Schmidt flüchtet unter den Tisch. Er hört nicht den Donner, sondern explodierende Bomben.

Ein Arztbesuch: Frau Steffen wird panisch und schlägt um sich. Sie will sich nicht ausziehen, die lange zurückliegende Erfahrung einer Vergewaltigung ist wieder lebendig.

Kindheitserinnerungen: Zehntausende Frauen und Männer, die im Zweiten Weltkrieg oder der unmittelbaren Nachkriegszeit in Deutschland aufwuchsen, haben Gewalt erlebt. Die Mehrheit dieser Generation nahm die Traumatisierungen von damals mit in ihr Erwachsenenleben. So wie viele andere Menschen die Traumata aus Kriegen in ihren Herkunftsländern. Manchmal gelingt es, den Schrecken jahrzehntelang wegzudrängen. Doch im Alter wird er wieder lebendig.

Traumata bleiben oft unerkannt und unbenannt. Sie erscheinen gerade im Alter als unerklärliche Störungen in scheinbar banalen Alltagssituationen. Die Betroffenen geraten in Panik, ihre Angehörigen, Pflegepersonen oder Begleiterinnen und Begleiter reagieren verstört und irritiert.

Zusammenhänge zwischen aktuellen Gefühlen und Verhaltensweisen und der Vergangenheit zu kennen, ist ein erster Schritt hin zu einer verständnisvollen Begleitung. Menschen, die unter den Folgen kriegstraumatischer Erfahrungen leiden, brauchen Verständnis. Die zweite wichtige Hilfe sollte darin bestehen, zuzuhören und die Not zu erkennen. Die Betroffenen müssen erleben können, dass sie heute nicht mehr allein sind wie damals. Bis weit hinein in die 1950 er und 1960er Jahre waren die Menschen mit ihrem Leid weitgehend allein. Jede/r war mit sich selbst und dem „Wiederaufbau“ beschäftigt. Es gab keine Beratungen oder Therapien, keine Informationen oder sonstige Hilfen. Heute ist das anders. Heute können Angehörige und Pflegekräfte zuhören, können Halt und Verständnis geben und zeigen: Ich passe auf Sie auf!

Die nachfolgenden Geschichten geben eine erste Hilfestellung, wie man traumatische Erinnerungen dieser Generation erkennen und entschlüsseln kann – und was man dazu wissen sollte. Die Hintergrundinformationen in den Texten beziehen sich dabei vor allem auf die heute nachwirkenden Leiden der deutschen Bevölkerung. Dass das Nazi-Regime in ganz Europa für Massenmord, Vertreibungen, Vergewaltigungen und viele andere Leiden verantwortlich war, soll damit keineswegs relativiert werden.

 

 

 

Gewaltprävention in sozialen Institutionen: 5. Text: Zweite Hilfe

This entry is part 5 of 5 in the series Gewaltprävention in sozialen Institutionen

Zweite Hilfe meint weitergehende Schritte:

  • Wesentlich ist eine Nachbesprechung aller beteiligten Mitarbeiter/innen. Sie soll dazu dienen, die Maßnahmen zu reflektieren, und nach möglichen Vorwarnsignalen suchen, um möglicherweise künftig präventiv tätig werden zu können.
  • Mit den Bewohner/innen und Klient/innen, ob beteiligt oder nicht, wird über den Vorfall und die Konsequenzen gesprochen. Dabei kann deutlich werden, dass Menschen mit Ängsten und Co-Traumatisierungen besondere Unterstützung benötigen. In jedem Fall dienen solche Besprechungen der Transparenz und sind ein Zeichen für die Haltung „Keine Gewalt!“.
  • Die Erfahrungen sollten in Supervision und Fortbildungen einfließen.
  • Ebenso in die Öffentlichkeitsarbeit mit anderen Institutionen (Polizei usw.)
  • Es ist notwendig, Tätern zu helfen, wo dies möglich ist und sie es zulassen. Doch der Grundsatz lautet: Opferschutz geht vor Täterschutz.