- Demenz Code Teil 1: Erst die Sinne, dann die Resonanz, dann die Worte
- Demenz-Code Teil 2: Die zwei Zeiterleben
- Demenz-Code Teil 3: Die Gefühle hinter den Worten
- Demenz-Code Teil 4: Das Hier und Jetzt hinter den Erinnerungen
- Demenz-Code Teil 5: Die Coping-Vorbilder
- Demenz-Code Teil 6: Die neun Arten, Nein zu sagen
- Demenz-Code, Teil 7: Die Überforderungssignale
- Demenz-Code Teil 8: Die Sinnesbrücken
Dass Sinnesäußerungen als Teil des Demenz-Codes besondere Beachtung verdienen und oft mehr zum Verständnis beitragen als verbale Äußerungen, habe ich schon beschrieben. Doch ihre Bedeutung weist darüber hinaus: Sie zeigen uns mögliche Brücken der Begegnung. Schon im am Anfang des Kapitels genannten Beispiel war die fahrig umher tastende Hand der alten Dame nicht nur ein Zugang, um zu verstehen, was die Worte für das Verständnis nicht hergaben. Sie waren ein Indiz, worüber eine Begegnung mit der Frau möglich war: Die Begleiterin ergriff ihre Hand.
Solche Einladungen gibt es viele. Wenn Frau V. den Pfleger fortwährend starr anblickt, dann ist das ein Zeichen für ihn, dass er sich so setzen oder kauern sollte, dass er Frau V. auf gleicher Augenhöhe begegnen kann. Dann schauen sich beide ein wenig länger in die Augen, zehn, zwanzig Sekunden – das reicht. Frau V. fühlt sich über diese Sinnesbrücke gesehen und sie beginnt zu lächeln. Ein persönlicher Kontakt, eine Begegnung ist entstanden.
Sinnesbrücken als Brücken der Verständigung sind auch möglich, wenn beide Beteiligte sich etwas Drittem zuwenden. Frau A. stochert mit ihrer Gabel begeistert in ihrem Marmorkuchen herum und blickt dabei die Krankenschwester immer wieder fragend an. Frau A. ist dement und kann sich verbal kaum noch äußern. Als die Krankenschwester die Begeisterung wahrnimmt und schließlich fragt: „Schmeckt Ihnen der Kuchen? Das sieht ja so aus!“, nickt Frau A. heftig, mit einem strahlenden Lächeln. Beider Bezug auf den Kuchen schuf eine Verbindung. Ähnliche Sinnesbrücken können durch das gemeinsame Riechen an einer Blume entstehen oder dadurch, dass sich die Menschen mit Demenz und die Begleiter/innen gemeinsam an einem Lied oder anderer Musik, vielleicht sogar einem gemeinsamen Tanz, erfreuen. Sinnesbrücken ermöglichen oft Verbindungen, die vorher unmöglich schienen.
Der Demenz-Code bietet keine Entschlüsselung, die man auswendig lernen kann, wie man die Vokabeln einer Fremdsprache lernt. Doch Sie können ihn lernen, indem Sie in jeder Situation mit Menschen mit Demenz, in denen diese unverständlich zu sein scheinen, sich fragen, welchen Sinn das konkrete Verhalten für die betreffende Person haben könnte. Bleiben Sie neugierig und lassen Sie sich überraschen, über welch vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten Menschen mit Demenz verfügen. Der hier beschriebene Demenz-Code gibt wichtige Anhaltspunkte. Wenn Sie der Frage nach dem Sinn nachgehen, werden Sie weitere Punkte entdecken.
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