Der Diagnoseschock. Wie die Demenz-Diagnose Familienbeziehungen durcheinanderwirbelt und was dann helfen kann, Teil 1: Die Demenz-Diagnose und die Zeit davor

Wenn Menschen die Diagnose Demenz oder speziell Alzheimer-Demenz erhalten, dann erschüttert dies. Diese Erschütterung ist umso stärker, je intensiver eine Phase der Angst vorherging. Im Unterschied zu früheren Zeiten wissen mittlerweile fast alle Menschen, dass eine Demenz bzw. Alzheimer-Demenz keine Erkrankung ist, die vorbeigeht, sondern dass diese Erkrankung immer schlimmer wird und im Tod endet. So positiv es ist, dass Wissen um die Demenz verbreitet ist, so sehr fördert es auch, dass sich Menschen vor der Demenz ängstigen. Das kann schon in jüngeren Jahren beginnen, wenn Menschen merken, dass sie etwas vergessen, und erst Recht, wenn sich dies wiederholt. Doch im höheren Alter wird die Angst größer und stärker.

Jeder Demenz-Diagnose geht eine Phase vorher, in der viele Menschen ahnen oder vermuten, dass sie an einer Demenz erkrankt sind, dies aber nicht wahrhaben wollen. Viele weigern sich, sich zu einer ärztlichen Untersuchung zu begeben, auch wenn Angehörige dies wünschen oder gar fördern. Je länger die Phase der Angst um Vermeidung dauert, desto größer ist nach unseren Erfahrungen die Erschütterung bei der Diagnose. Diese Erschütterung betrifft nicht nur die Betroffenen, sondern auch im mindestens genauso großen Maße die nahen Angehörigen. Ich werde deshalb in den folgenden Beiträgen zu diesem Thema mehrere Aspekte der Auswirkungen der Demenz-Diagnose auf das soziale Gefüge und insbesondere die Familienbeziehungen beleuchten und Hinweise geben, wie helfend und stärkend damit umgegangen werden kann.

Hier der erste Hinweis:

Wenn eine Demenz-Diagnose gestellt wird, dann ist es wichtig, sich auch mit der Zeit davor auseinanderzusetzen. Für Menschen, die beraten und anderweitig unterstützen, ist es notwendig, nach dieser Phase zu fragen, weil die Phase davor nicht nur die Angst erhöht, sondern auch Schuldgefühle hervorruft: „Hätten wir das früher merken können? Wäre es dann vielleicht nicht so schlimm geworden?“ Über diese Schuldgefühle muss geredet werden. Denn wenn sie verschwiegen werden, dann wächst ihre Macht.

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About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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