Der Diagnoseschock. Wie die Demenz-Diagnose Familienbeziehungen durcheinanderwirbelt und was dann helfen kann Teil 3: Verleugnen, Erstarren, Aktionismus

 

Als Reaktion auf die Demenz-Diagnose begegnen uns vor allem drei häufige Reaktionen, nicht nur bei den unmittelbar Betroffenen, sondern auch bei Familienangehörigen.

Die erste Reaktion ist das Verleugnen: „Das kann doch nicht sein!“ Oder: „Die müssen sich vertan haben.“ Viele Menschen wollen nicht wahrhaben, was das Ergebnis der Diagnose ist. Solche Reaktionen kennen wir bei vielen schockartigen Ereignissen, die das Leben der Menschen beeinflussen und ändern können, zum Beispiel wenn ein Partner der Partnerin mitteilt, dass er sie verlassen wird, oder bei anderen Diagnosen wie zum Beispiel der Diagnose Krebs. Das Verleugnen ist kein bewusster Akt, in dem ein Mensch nach Überlegungen zu dem Schluss kommt, dass die Diagnose falsch sein muss. Nein, es ist eine zutiefst leibliche Reaktion, die dem Schock entspringt. Der Schock der Diagnose überfordert den Menschen. Also wird das, was die Diagnose sagt, abgewehrt, indem es in Zweifel gezogen oder ganz geleugnet wird. Das Verleugnen ist also eine Überlebensreaktion.

Die zweite häufige Reaktion ist das Erstarren. Menschen sagen nichts mehr, bewegen sich nicht mehr, ziehen sich zurück, wiederholen vielleicht alltägliche Abläufe, als wäre nichts gewesen, als hätte sich nichts geändert. Vor allem sind sie unfähig, über die Diagnose und die Folgerung daraus zu reden. Das Erstarren kennen wir auch als Reaktion auf traumatische Erfahrungen. Vielleicht wirkt es hier ähnlich.

Die dritte häufige Reaktion besteht im Aktionismus. Google-Seiten werden gesucht und durchforstet. Dieser und jener Facharzt wird noch hinzugezogen. Pläne werden geschmiedet und vieles andere wird unternommen, um die Gefühle nicht zuzulassen, die der Diagnose-Schock hervorruft: die Angst, vielleicht auch die Trauer, die Hilflosigkeit und Ohnmacht.

Alle drei Reaktionen sind einerseits verständlich. Andererseits helfen sie nicht, die Diagnose zu bewältigen und sich auf ein Leben mit der Demenz vorzubereiten und einzustellen. Deswegen ist es wichtig, diese Reaktionen zu erkennen und sie als Familienangehöriger, als Berater/in oder sonstige helfend beteiligte Personen,  anzusprechen und vor allem all das zu thematisieren, was sich hinter diesen drei Hauptreaktionen verbergen mag.

 

 

 

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About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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