Maloche geht vor!

(der Name des Bewohners wurde geändert)

Hotte Schmitz ist ca. 70 Jahre und an Demenz erkrankt. Er ist körperlich noch aktiv und in seiner eigenen Realität zurückgezogen. Wenn wir ihn ansprechen, bekommen wir kurze knappe Antworten.

Früher war er als Handwerker auf dem Bau im Ruhrgebiet tätig. Oft können wir ihn dabei beobachten, wie er die Nähte der Tapeten an den Wänden, die Fugen der Fliesen, die Stabilität der Tische und Stühle und die Dichtungen der Türen kontrolliert. Herr Schmitz lässt sich selten zu den Mahlzeiten an den Tisch begleiten. Er wirkt so, als dürfe er sich keine Pause leisten. Nach dem Motto: „Maloche geht vor! Erst die Arbeit dann das Vergnügen!“

Er war immer sehr beschäftigt und das Pflegepersonal ist an manchen Tagen sehr ratlos, da er immer wieder das Essen verweigert oder sehr wenig isst, um wieder seiner Arbeit nachgehen zu können.

Eines Tages ging Herr Schmitz seinem inneren Auftrag nach in den Garten, um dort nach dem Rechten zu sehen, und rückte Stühle, Tische und Steine hin und her. Das Pflegepersonal versuchte ihn mit Engelszungen zu überreden, etwas zu essen und zum Tisch zu kommen. Wieder einmal ohne Erfolg.

Ich beobachtete die Szene und erinnerte mich an meinen Opa, der erst als Kumpel im Bergbau und später als Malocher im Kanalbau tätig war. Ich erinnerte mich auch an seine Art zu sprechen, seine Einstellung zur Arbeit und zu Pausen und wagte, mit Absprache des Personals, ein Experiment.

Ich ging zu ihm. „Ey Hotte! Wat bisse hier noch an malochen?“ fragte ich ihn. „Muss feddich werden! antwortete er. „Da hasse recht … auf dich is immer Verlass. Abba ich hab dir da ma ne schnelle Kniffte feddich gemacht. Kannze dir do ma eben zwischen de Kiemen schmeissen und dann weita machen!?“ antwortete ich. Er sah mich irritiert und gleichzeitig genervt an und arbeitete weiter mit den Worten: „Nee … brauch nix“ Ich sagte: „Komm ma wacker mit rein Hotte. Du musst do wat inne Mauen haben damitte weiter malochen kannst! Wir brauchen dich do hier noch n bisken.“ Er zögerte immer noch und kam dann schließlich doch mit mir rein und setzte sich zu den anderen Bewohnern an den Tisch und aß.

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