Folgen traumatischer Erfahrungen können im Alter nachwirken- Auf der Flucht 1- Unruhe

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Unruhe

Herr M. kommt in eine Beratungsstelle. „Ich bin in der letzten Zeit immer so unruhig und weiß gar nicht, wovon das kommt.“ Der Berater fragt, wann dies begonnen habe. Herr M. antwortet: „Kann ich nicht genau sagen. Das ist eigentlich immer schon so gewesen, dass ich solche Phasen hatte. Aber in der letzten Zeit ist das richtig stark geworden, seit einigen Monaten vielleicht und ganz besonders in den letzten Wochen.“

Der Berater fragt: „In welchen Situationen oder nach welchen Situationen ist das besonders stark? Vielleicht nachdem Sie einen bestimmten Film geschaut haben, nachdem Sie mit jemandem geredet haben, tagsüber oder nachts? Was wissen Sie, was ist Ihnen aufgefallen?“

Herr M. überlegt eine Weile und antwortet dann: „Auch das kann ich nicht genau beantworten. Fernsehen schaue ich zwar relativ viel, aber keine Sachen, die mich aufregen, wie zum Beispiel Tatort oder Filme, in denen Tote vorkommen, aber … genauer kann ich es nicht sagen.“

Der Berater fragt Herrn M., wann er geboren sei.

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Folgen traumatischer Erfahrungen können im Alter nachwirken-Auf der Flucht: 2. „Auf Wanderschaft“

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Einen Tag, nachdem Frau C. in das Altenheim eingezogen ist, beginnt sie zu schreien. „Ich will hier raus! Die sperren mich ein! Ich habe doch nichts verbrochen! Ich will hier raus!“

Sie ist nicht zu beruhigen und wandert ruhelos auf und ab. Ihre Unruhe steckt andere Bewohnerinnen und Bewohner an …
Von der Tochter erfahren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: „Mutter ist ihr ganzes Leben lang auf Wanderschaft gewesen. Ich glaube, sie hat es nie länger als zwei Jahre an einem Ort ausgehalten. Immer, wenn sie anfing, heimisch zu werden, musste sie wieder los.“
Frau C. konnte geholfen werden, indem man sie in den Garten der Einrichtung führte und ihr außerhalb des Hauses und dann auch innerhalb viele Wege zeigte, die sie gehen konnte.

Frau C. hatte als Jugendliche ihre Heimat verloren und war nie mehr an einem Ort heimisch geworden. Sie hatte einen großen Flüchtlingstreck mitgemacht, auf dem es hieß: „Immer weiter, immer weiter!“ Dieses „Immer weiter“ prägte ihr ganzes Leben. Diese Ruhelosigkeit, dieses Nicht-Heimisch-Werden, hat sie mit manch anderen Menschen ihrer Generationen gemeinsam, die Flucht und Vertreibung erleben mussten.