Der Krieg in der Tagespflege

Ein Aufenthaltsraum. Mehrere ältere Menschen sitzen dort und schauen eine gemeinsame Lieblingssendung am Nachmittag. Die Sendung ist zu Ende. Es kommen Nachrichten. Dort wird über den Krieg in der Ukraine berichtet. Die Atmosphäre in dem Raum verändert sich schlagartig. Manche der anwesenden Gäste erstarren. Einige schauen auf den Fernseher, ohne sich zu regen. Die Kriegsbilder beeinflussen die Atmosphäre in der Tagespflege, in dem Gemeinschaftsraum.

Alle Anwesenden haben als kleine Kinder den Krieg erlebt und/oder sind mit den Kriegserinnerungen und Kriegswunden ihrer Eltern aufgewachsen. Die Bilder der Nachrichten und die russisch klingenden Stimmen triggern die alten Kriegstraumata und aktualisieren die Kriegsatmosphäre. Das gilt auch für diejenigen, die an Demenzerkrankungen leiden.

Schließlich steht ein Bewohner auf und macht den Fernseher aus. Er sagt: „Das kann ich nicht mehr sehen!“ Dieser Impuls ist richtig und gut. Wer Kriege erlebt hat und möglicherweise kriegstraumatisiert ist, wird durch solche Nachrichten und Bilder oft von dem alten Schrecken wieder eingeholt und reagiert mit Flucht, Aggressivität oder Erstarrung. Das muss alten und insbesondere an Demenz erkrankten Menschen nicht angetan werden. Darauf sollten Mitarbeiter*innen achten.

About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

Ein Kommentar zu “Der Krieg in der Tagespflege

  1. Ich kann das sehr gut verstehen, diesen Ansturm von traurigen, schrecklichen Erinnerungen. Ich lebe in Mexiko und mir passiert das Gleiche vorm TV. Bin 1951 geboren, Vater war lange POW und Mutter Stabshelferin. Ihre Erfahrungen leben teilweise als Trauma in mir wieder. Leide seit vielen Jahren von Depressionen.
    Bin froh Sie und Ihre Arbeit gefunden zu haben. Dankeschön Regina Schuran Castillo

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