Ein Ehepaar hatte große Angst, weil die Ehefrau die Diagnose Alzheimer-Demenz bekommen hatte. Ich frage sie, wovor sie denn konkret Angst hätten. Denn es hilft immer, die Angst möglichst zu konkretisieren, um sich mit ihr auseinandersetzen zu können. Nach einigem Hin und Her stellte sich heraus, dass beide vor allem Angst hatten, dass die Frau ihren geliebten Partner nicht mehr erkenne und damit die, wie sie sagte, „Liebe ihres Lebens“. Und der Partner fürchtete sich davor, dass seine Frau ihn irgendwann nicht mehr erkennen könne und er ihr fremd würde.
Ich schlug ihnen vor, mit einem Kassettenrekorder (damals gab es diese Technik noch, heute könnte ein Handy oder anderes Hilfsmittel verwendet werden) zu arbeiten. Ich stellte ihnen einige Fragen, deren Antworten wir aufnahmen. Ich fragte zum Beispiel nach dem Moment, in dem sie sich kennen und lieben gelernt hätten. Ich fragte, was sie heute an ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin liebenswert fänden. Beide antworteten und hatten Spaß dabei. Dann fragte ich sie, welche Musik sie gemeinsam hören würden und gerne hätten. Sie begannen sofort, einen alten Schlager zu summen, und dann ergänzten sie ihre Lieblingslieder oder besonders geschätzten Musikstücke. Wir besorgten diese Musik und nahmen sie auf (was heute über die Streaming-Dienste noch einfacher ist).
Diese Kassette behielten sie. Immer wenn bei der Frau Irritationen auftraten und ihre Vergesslichkeit größer wurde, hörten sie beide die Kassette ab. Daran hatten sie so viel Freude, dass sie dies auch taten, ohne dass es mit einem Anlass der Demenz zu tun hatte. Sie erstellten sicherheitshalber ein Duplikat der Aufnahme, sodass sie die Aufnahmen auch weiter hören konnten, als die erste Kassette begann, auszuleiern. Sie hatten einen wunderbaren Weg gefunden, ihre Liebe zu erhalten und sich ihrer immer wieder zu vergewissern.